Inglourious
Basterds ist ein sehr spannender Film, dessen Regisseur Quentin Tarantino ist.
Ich werde nicht gross über den Film im Allgemeinen quatschen, sondern tauche
direkt in eine bestimmte Szene ein. Falls ihr mehr über den Film wissen wollt,
geht doch auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Inglourious_Basterds
Die
Szene, um die es sich in meinem Blogpost handelt, ist folgende: Emmanuelle
trifft sich mit den Deutschen. Es wird darüber geredet, dass sie einen Film in
Emmanuelle’s Kino vorzeigen wollen. Wir glauben, das Gespräch sei zu Ende, doch
dann kommt plötzlich der Teufel: Hans Landa, der um ein Gespräch unter vier
Augen mit Emmanuelle Mimieux bittet.
Während
Landa mit Emmanuelle Mimieux (Shoshanna) am Tisch sitzt, ärgert man sich vor
allem darüber, dass alles so verdammt langsam läuft. Man wird so richtig auf
die Folter gespannt. Ich wollte endlich wissen, ob Landa ihr glaubte oder sie
als Shoshanna kannte.
Als
Landa zusammen mit dem Apfelstrudel noch ein Espresso für sich und ein Glas
Milch für Emmanuelle bestellte, glaubte ich schon zu wissen, dass er irgendwie
schon herausgefunden hatte, wer sie war. Vielleicht erinnert ihr euch an die
erste Sequenz dieses Films. Monsieur LaPadite, der Shoshanna und ihre Familie
versteckt hatte, war Milchbauer. Als Landa zu ihnen nach Hause ging, um die
Familie Dreyfus zu töten, lehnte er Wein ab; doch er bat um ein Glas Milch. Das
Glas Milch ist unmöglich ein Zufall, sondern ist sorgfältig geplant worden. Das
Gespräch mit Emmanuelle Mimieux hat viele Parallelen mit dem Gespräch mit
LaPadite, und in meinem Blogpost werde ich einige davon erläutern.
Als er
Sahne nachbestellte und Shoshanna schon mit dem Essen anfangen wollte, hielt er
sie davon ab; Es wirkte, als ob Landa Regisseur in seinem eigenen Film war. Er
tat höflich und zuvorkommend, doch er hatte das Sagen. Und er machte dies mit
dies kleinen Gesten sehr klar.
Wenn
ich einen Film nur zum Zeitvertreib oder zur Vergnügung schaue, fallen mir
diese kleinen Sachen, die einen Charakter formen, nicht auf. Doch ich schaute
diesen Film nicht nur zur Vergnügung. Deshalb fielen mir diese Details umso
mehr auf, und es verblüffte mich, wie sehr Tarantino alle Feinheiten plante. Jede
Bewegung, jedes Wort und jede Kameraaufnahme hat eine tiefere Bedeutung, dessen
man sich nur bewusst wird, wenn man sich genauer achtet.
Als
die Sahne endlich ankam, und er Emmanuelle «höflich» bat, zuerst zu kosten,
merkte ich, dass Landa das Gespräch führte. Er stellte die Fragen, doch er
wusste schon, welche Antwort er erwarten konnte. Er wartete auch nicht darauf,
dass Emmanuelle Mimieux ihm anbot, sie doch einfach «Emmanuelle» zu nennen,
sondern sprach sie einfach als Emmanuelle an. Erst danach fragte er, ob dies
für sie in Ordnung war.
Während
Emmanuelle ein Stück von dem Apfelstrudel schaufelte, nahm die Kamera im Detail
auf, wie sie hastig Sahne auf den Bissen strich. Mir kam in den Sinn, dass
Juden Kosher assen und fragte mich, ob sie auf Milch verzichten. Vielleicht
bestellte Landa die Sahne nur, um sie zu testen. (Nachdem ich durch Wikipedia
scrollte, musste ich diese Kosher-Test-Theorie allerdings wiederlegen)
Das
Gesicht von Emmanuelle wirkt genervt, aber vom anfänglichen Schock oder gar von
Angst sieht man nichts mehr. Sie wirkt fast schon gelangweilt, als sie sich das
Essen in den Mund schiebt. Im Allgemeinen irritiert es mich ein bisschen, dass
das Gesicht von Emmanuelle so wenig Gefühl zeigt. Man kann ihre Miene nicht vom
Gesicht lesen. Für Emmanuelle ist es von Vorteil, dass sie ihr Pokerface anhat.
Für uns Zuschauer wohl eher weniger – Denn wir erhalten von ihr keine Hinweise auf das, was als nächstes passieren kann.
Die
Kamera war wieder auf Landa gerichtet. Er ass gierig. Er nahm grosse Bissen,
kaute laut und hässlich. Er ist höflich, kultiviert und nett; doch beim Essen
und Trinken kommt das wahre Monster darunter zum Vorschein. Bei der Milch war
das doch genauso. Er schlürfte zwar nicht laut oder so, aber er trank sie in
einem Zug, obwohl er alle Zeit der Welt hätte.
Er
stellte methodisch Fragen an Emmanuelle. Zuerst im allgemeinen Stil, doch er lenkte das
Gespräch in eine bestimmte Richtung. Er versuchte, Lücken in ihrer Geschichte
zu finden, doch Emmanuelle hatte ihre wahre Identität gut verborgen. Man fragte
sich, was er wirklich wissen wollte – dieses Gefühl hatte ich auch bei der
Szene mit LaPadite. Er kam langsam auf Marcel zu sprechen, einen
dunkelhäutigen, der mit Emmanuelle im Kino arbeitete. Nachdem er eine Weile um
den heissen Brei redete, weitere Fragen stellte und zwischendurch Apfelstrudel in sich hineinschaufelte, kam er auf den Punkt. Er wollte, dass
Emmanuelle an dieser Vorstellung das Kino operierte, an Stelle von Marcel.
Schliesslich
bietet er ihr eine Zigarette an. Sie zündet zuerst ihre Zigarette an, er folgt.
Als ich diese Szene erneut schaute, merkte ich, dass ich genau dann etwas
spannendes erwartete. Das Bild wechselt wieder auf Landa, man sieht sein
Gesicht nah. Der Hintergrund ist ausgeblendet, was den Fokus auf seinen
Gesichtsausdruck lenkt. Er sagt, es gäbe noch etwas, dass er fragen wollte. Ich
hielt den Atem an. Der Gesichtsausdruck von Emmanuelle verändert sich fast
nicht. Dann schneidet das Bild wieder auf Landa, wir sehen sein Gesicht näher,
grösser, bedrohlicher. Er blickt sie lange an. Sein Gesicht wirkt ernst und
hochmütig.
Dann
wirkt er plötzlich ab. Wir wollen auflachen, denn der Wechsel kommt unerwartet.
Er könne sich um Himmels Willen nicht mehr daran erinnern, was er fragen
wollte. Landa zuckt die Schultern, sagt, dass es nicht sehr wichtig sei. Dann
steckt er seine brennende Zigarette in den Apfelstrudel. Als erstes dachte ich
nur: «Was für ein Widerling!», aber dann wurde ich darauf aufmerksam gemacht,
dass dies eine Metapher war. Landa hat die Familie Dreyfus versucht zu töten,
in dem sie Löcher durch den Boden schossen.
Bis
vor kurzem hatte ich immer das Gefühl, das seien alles Zufälle, und der
Regisseur würde sich dabei nichts denken. Doch mir wird klar, wie alle Details
in einem Film (oder in einem Buch) eine tiefere Bedeutung haben. Und wenn man
sich auf diese achtet, dann erhält man womöglich Hinweise auf die Handlung –
oder man entwickelt eine Ehrfurcht für die Filmkunst.
Ein sehr ausführlicher, aufschlussreicher und unterhaltsamer Eintrag, in dem Sie zeigen, wie viel Sie von dem aufsaugen und mitnehmen, wir besprochen haben. Sie analysieren nicht nur, sondern schreiben sehr engagiert und emotional über das Erlebnis, den Film zu visionieren. Treffend beschrieben finde ich zum Beispiel Ihre Formulierung: »Es wirkte, als ob Landa Regisseur in seinem eigenen Film war.« gegen Ende wundert es mich etwas, dass Sie den Bezug zur ersten Sequenz mit LaPadite nicht nochmals herstellen, vor allem dort, als sich die Kamera auf Landas versteinertes Gesicht zubewegt und man denkt, er werde die Gretchenfrage stellen. Das ist ein innerfilmisches Zitat zur Stelle, als er LaPadite dirrkt fragt, ob er die jüdische Familie versteckt halte. Mir ist ferner aufgefallen, dass Ihre Sprache teils hervorragend ist, an gewissen Stellen machen Sie dafür leichte Formulierungsehler. Auf jeden Fall weiter so!
AntwortenLöschenDer Koscher-Gedanke war korrekt.
AntwortenLöschenDer gemeinsame Verzehr von Milch- und Fleischprodukten ist nicht erlaubt. Dies stützt sich auf den Bibelvers „Koche nicht ein Böcklein in der Milch seiner Mutter“ (Ex. 23:19) Ein Strudel aus Tierfett mit Sahne sind demnach nicht koscher. Nach einer Fleischspeise wird einige Stunden (je nach Tradition bis zu sechs Stunden) abgewartet, bevor man eine Milchspeise zu sich nimmt. Umgekehrt wartet man nach dem Genuss eines milchigen Produkts nur bis zu einer Stunde, um Wurst oder Fleisch zu essen. Auch die Milchszene hat seine Bedeutung.