Tetris-Steinchen
sind die Elementarteilchen des Universums – Menschen, Gebäude, Gefühle, Tiere
und Pflanzen, kurz gesagt alles, ist aus Tetris-Steinchen aufgebaut. Jeder
dieser Steine repräsentiert eine andere Information. Die Welt ist also nüchtern
gesehen eine reine Informationsmasse, die aus diesen Tetris-Steinchen besteht.
Jede Sekunde prasseln Abermillionen von Tetris-Steinchen in unser Bewusstsein.
Wir können diesen Steinchen Bedeutung geben, und so einbauen, wie es für uns am
meisten Sinn macht.
So
lautet die Grundlage der Tetris-These von Martin Jüstel. Der Text ist sehr
fesselnd geschrieben – er baut in seinem Text die These noch etwas weiter aus,
und lässt noch einige der Gedanken und Ideen, die er in seiner Kindheit hatte,
einfliessen. Er schreibt, dass er oft darüber nachdenkt, ob andere die Welt
genauso sehen, wie er sie sieht: beispielsweise, ob jeder Mensch die Farbe
«Rot» auch als rot sieht oder als blau. Er versucht eine Erklärung dafür zu
finden, wieso Ausserirdische im Fernsehen immer als tierähnliche Wesen oder
Humanoide dargestellt werden. Und noch viele andere werden mit dieser Tetris
These versucht zu erklären.
Ein
kleiner Abschnitt des Textes hat mich an etwas erinnert, was ich mir früher
auch öfters vorgestellt habe. Der Autor erwähnt, dass alles, was wir je
erleben, nichts weiter als ein Gebilde von Abermillionen Tetris-Steinchen sei.
Jeder Mensch hat seine ganz individuelle Form kreiert, und fügt durch
Eindrücken und Erlebnissen ständig neue Steinchen hinzu. Dies passiert unser
Leben lang, bis wir Game Over sind, so der Autor. Was der Autor sich nach dem
Game Over, beziehungsweise den Tod, vorstellt, wurde nicht näher erklärt, doch
das spielt jetzt keine Rolle – die Vorstellung, die ich in meiner Kindheit oft
hatte, kann dies näher erläutern.
Meine
Familie ist sehr religiös. Schon seit ich denken kann, erinnere ich mich an
Sonntage, die in der Kirche und Sonntagsschule verbracht wurden. Ich war schon
früh Teil von verschiedenen Bibelgruppen, und der Freundeskreis meiner Eltern
enthielt viele Christen. Deshalb ist es kein Wunder, dass mir oft
Bibelgeschichten vorgelesen wurden und mir unter anderem vom Himmel erzählt
wurde, und dass gute Menschen nach dem Tod dahin kamen. Ich fragte mich oft,
wie die Menschen dann überhaupt dahin kamen. Es ist ja physikalisch unmöglich,
aus einem Holzsarg auszubrechen, vor allem, wenn man kremiert wird!
Ich
fand später heraus, dass es so etwas wie eine «Seele» gibt, die sich im Inneren
eines Menschen befindet, die das Gemüt eines Menschen wiederspiegelt. Man kann
die Seele nicht spüren, so wie man seine Hand oder sein Bein spürt, und wenn
man stirbt, lebt die Seele weiter und geht entweder in den Himmel oder in die Hölle.
Dies beantwortete meine Frage, wie die Menschen in den Himmel kamen, doch es
fiel mir als sechsjähriges Mädel schwer, sich die Seele als «Nichts»
vorzustellen. Also gab ich ihr Form, und baute die Form und das System der
Seele während meiner Kindheit immer weiter aus.
Jedes
Baby, das auf die Welt kommt, hat eine Seele, die einer unbemalten, leeren
Leinwand gleicht. Alle Babys haben bei der Geburt die gleiche Seele, die keinen
Inhalt hat und von nichts und niemandem geprägt ist – bei der Geburt ist also
jeder gleichwertig, weder gut noch böse. Bei der Geburt hat man keine
aussagekräftige Seele, die die Persönlichkeit und das Gemüt des Menschen
wiederspiegelt. Nun bleibt dies aber nicht lange so. Menschen entwickeln
natürlich verschiedene Persönlichkeiten, und dies muss sich natürlich auch in
der Seele wiederspiegeln. Sobald das Baby anfängt zu hören, zu weinen und zu
schlafen, fängt die Seele an, sich nach der Stimmung des Babys zu gestalten.
Wenn das Baby oft lacht, dann färben sich Teile der Leinwand vom neutralen
weiss in fröhliche Farben wie gelb, rosa oder hellgrün um. Ist das Baby oft
ruhig, dann färben sich vielleicht Teile der Leinwand in hellblau oder
dunkelblau um. Blau repräsentiert nämlich Ruhe und Gelassenheit.
Sobald
das Baby zu einem richtigen Menschen heranreift, wird die Seele währenddessen
immer weiter bemalt. Die Gedanken und Gefühle des Menschen beeinflussen die
Seele, sowie die Worte und der Geschmack des Menschen.
Wenn
ein Mensch kreativer Art ist, oft positiv denkt und sich oft in der Natur
aufhält, dann entsteht vielleicht eine Blumenwiese auf dieser Leinwand. Wenn
der kreative, positive Mensch älter wird, und seine Lebensfreude nicht
verliert, kommen vielleicht noch prächtige, farbenfrohe Schmetterlinge dazu,
die in dieser Blumenwiese umherschwirren.
Wenn
ein Mensch beispielsweise eher nachdenklich ist und noch spät wach ist, dann
entsteht ein Nachthimmel mit einem klaren, leuchtenden Mond hoch im Himmel.
Wenn der Mensch im Alter bitter und trist wird, dann nimmt der Mond ab, oder
Wolken verdecken die Sicht auf die Sternbilder.
Einschneidende
Ereignisse wie Traumas oder schlimme Krankheiten können ebenfalls harte
Markierungen auf der Seele hinterlassen. Meist zeigen sie sich in Form von
schwarzen Flecken oder Rissen auf der Leinwand. Aber auch fröhliche Ereignisse
machen sich auf der Seele bemerkbar – in Form von farbigen Flecken oder
Sonnenschein. Zu den fröhlichen Ereignissen zählen grosse Dinge wie eine
Hochzeit, die Geburt seines Kindes oder wenn man einen Nobelpreis erhält, aber
auch die kleinen Dinge wie ein Kompliment oder einen Schokoladenkuchen von
seiner Freundin zählen dazu.
Die
Seele des Menschen, die einst so leer war, hat sich im Laufe des Lebens zu
einem farbenprächtigen Mosaik entwickelt, dass sich von der Persönlichkeit, der
Stimmung, den Gedanken, den Vorlieben und Entscheidungen gekennzeichnet hat.
Bei jedem Menschen sieht sie natürlich anders aus, da jeder Mensch die Zeit auf
der Erde anders erlebt, anders denkt und eigene Vorlieben hat. Und sobald der
Mensch stirbt, löst sich das Kunstwerk vom menschlichen Körper und geht in den
Himmel hinauf.

Der
Körper, mit dem man geboren wurde, repräsentiert nur die genetische Summe der
Eltern. Wenn man also ein pickeliges Gesicht, fettige Haare und Stinkefüsse hat
und gerade mal 1m 30 ist, dann hat man auf der Erde vielleicht die eine oder
andere Herausforderung deswegen. Aber wenn man eine vom Leben gekennzeichnete,
wunderschöne Seele hat, dann ist man trotzdem auf seiner Weise schön – auch
wenn auf der Erde niemand diese Schönheit mitbekommt. Im Himmel ist man nicht
mehr in seinem menschlichen Körper, dort zählt nur die Seele und die inneren
Werte des Menschen, und man wird für das gesehen, was man ist.